Hässige Menschen

Schaffen wir es wirklich, schlechte Menschen zu lieben, oder müssen wir den Tarif durchgeben?

Ihr müsst sie lieb und nett behandeln,
erschreckt sie nicht – sie sind so zart!
Ihr müsst mit Palmen sie umwandeln,
getreulich ihrer Eigenart!
schlagt euern Hund, wenn er kläfft:
Küsst diese hässigen Menschen, wo ihr sie trefft!

Wenn sie in ihren Sälen hetzen,
sagt: »Ja und Amen – aber gern!
Hier habt ihr mich – schlagt mich in Fetzen!«
Und prügeln sie, so lobt den Herrn.
Denn Prügeln ist ihr Geschäft!
Küsst diese hässigen Menschen, wo ihr sie trefft.

Und schießen sie –: du lieber Himmel,
schätzt ihr das Leben hoch ein?
Das ist ein Pazifisten-Fimmel!
Wer möchte nicht gern Opfer sein?
verteilt das hassvolle Heft
küsst diese hässigen Menschen, wo ihr sie trefft

Gebt ihnen Bonbons und Zuckerchen …
nennt sie: süssen Schnuckerchen,
Doch dann verspürt ihr auch, ihr mal auch
schlechtes Gefühl in euern Bauch
so die Liebe hier entkräft
kämpft gegen hässige Menschen, wo ihr sie trefft

Sie zu ihm

Kurt Tucholsky über eine Liebe, wo die Zärtlichkeit fehlt

Ich hab dir alles hingegeben
mich, meine Seele, Zeit und Geld
Du bist ein Mann – du bist mein Leben
du meine kleine Unterwelt
Doch habe ich mein Glück gefunden
seh ich dir manchmal ins Gesicht
Ich kenn dich in so vielen Stunden
nein, zärtlich bist du nicht

Du küsst recht gut. Auf manche Weise
zeigst du mir, was das ist, Genuss
Du hörst gern Klatsch, sagst mir leise,
wann ich die Lippen nachziehn muss
Du bleibst sogar vor andern Frauen
in gut gespieltem Gleichgewicht
man kann dir manchmal sogar trauen.
nein zärtlich bist du nicht

Oh wärst du zärtlich, ja meinetwegen
kannst du sogar gefühlvoll sein.
Mensch, wie ein warmer Frühlingsregen
so hüllte Zärtlichkeit mich ein
Wärst du der Weiche von uns beiden
wärst du der Dumme. Bube sticht
Denn wer mehr liebt, der muss mehr leiden.
Nein, zärtlich bist du nicht

Freie Wirtschaft

Meinung zur Wirtschaft von Kurt Tucholsky, von mir ein wenig umgetextet

Ihr sollt Tarifverträge abbauen
ihr sollt auf die Direktoren vertrauen
sie Angestellten quatschen uns mehr herein
wollen freie Unternehmer sein

Ja wohl – alles sei mir
Wir nicht – aber ihr

Ihr solltet euch allesamt was schämen
wollt von dem armen Staat noch Geld nehmen
Ihr braucht keine Heime für eure Lungen,
keine Renten und Versicherungen.

Wenn Menschlichkeit halt frier
Wir nicht – aber ihr

Bilden bis in die weiteste Ferne
Trusts, Kartelle, Verbände und Konzerne
Wir diktieren die Preise und Verträge
kein Schutzgesetz sei uns im Wege.

Raffen weltweite Gier
Wir nicht – aber ihr

Die Forderung ist bereits verkündet
ein schlauer Professor sie euch begründet
vom Volk das Schweigen zu mehr Ausbeutung führt
es ist an der Zeit, dass ihr euch rührt

Ich Solidarität spür
Ihr nicht – Aber Wir Wir Wir

Das Ideal

Kurt Tucholsky beschreibt hier unsere Wunschvorstellung, ein wenig abgeändert, wo es um Frauen geht

Villa im Grünen mit Terrasse
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstrasse
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn
aber abends zum Theater nicht weit
das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit

Neun Zimmer – nein, vielleicht lieber zehn
Ein Dachgarten, wo alte Eichen drauf stehn
eine süße Frau voller Schärfe
eine zweite, die sich mir am Hals werfe
die Dienerschaft, gut gezogen und stumm
Bibliothek mit viel Kunst drumherum

Ja, und das hab ich ganz vergessen
Prima Küche vom Koch stets feinstes Essen
alte Weine aus schönem Pokal
und isst du auch viel bleibst du dünn wie ein Aal
Und Geld, an Schmuck eine richtige Portion
Noch ne Million, noch ne Million.

Aber, wie das so ist hienieden
manchmal scheints so, als sei es mir beschieden
nur pöapö, das irdische Glück.
Immer fehlt dir zum Reichtum irgendein Stück
hast du die Frau, dann fehlen Moneten
du bist der Geldsack, wird dir Sex geben

Jedes Glück hat einen kleinen Stich
Wir möchten so viel an sich
Haben. Sein. Und gelten
Dass einer alles hat – das ist selten

Aus

Von Tucholsky ein Gedicht über das Ende einer Beziehung vernotet

Einmal müssen zwei auseinandergehn
einmal will einer den andern nicht mehr verstehn
einmal gabelt sich jeder Weg – und jeder geht allein
Schuld wird dran niemand sein

Einmal Schuld trifft halt die Ablauf der Zeit
Vielleicht treffen wir uns in der Unendlichkeit
den andern ganzes Leben – trägt jeder mit sich herum
und nehmen manches krumm

Einmal hat es euch zusammengespült,
ihr habt euch erhitzt, seid geschmolzen, und erkühlt
Ihr wart neugieriges Kind – die Hälfte sinkt nun herab
jetzt neue Zukunft habt

Einmal geht jeder seinem Schicksal zu
Leben ist Wandlung. Jedes ich sucht wieder ein du
Jeder sucht seine Zukunft. Und geht mit stockendem Fuss
ohne Erklärung und Gruss

An das Publikum

Grundlage ein Gedicht von Tucholsky, will das Publikum nachdenken?

ja, dann hochverehrtes Publikum
sag mal: bist du wirklich so dumm
und schon im Delirium

Wie uns das geschieht an allen Tagen
die Kulturbranche will sagen?
Macht immer nur das Publikum froh
spricht: »Das Publikum will es so!«

Ja, dann ..

Jeder Filmfritze sagt: »Was soll ich machen?
man wünscht zuckrige Sachen!«
Jeder Verleger zuckt und halt spricht:
Kritische Bücher laufen nicht!«

Ja, dann ..

So dumm, dass in Zeitungen, früh und spät,
nur weniger zu lesen steht?
aus Angst, euch verhetzend zu sein
aus Furcht, vor verletzten Pein

Ja, dann…

Aus lauter Besorgnis, Müller und Lohn
könnten mit Abbestellung drohn?
Aus Bangigkeit, es klagten am Ende
einer der Wirtschaftsverbände

und protestierte und denunzierte
aufrührte und prozessierte
es lastet doch zu jeder Zeit
der Fluch der Mittelmäßigkeit.

Ja, dann…

Hast du denn so einen schwachen Magen
Kannst keine Wahrheit vertragen
Bist also nur ein Griessbrei Fresser
Ja, dann verdienst du es nicht besser